Dauerhafter Brand- und Korrosionsschutz von Stahlbrücken

Brücken sind seit Jahrhunderten ein wesentlicher Bestandteil der Verkehrsinfrastruktur und spielen eine wichtige Rolle bei der Verbindung unserer Straßen, Schienen und Fußwege. Joachim Pflugfelder untersucht, wie mit der richtigen Auswahl von Beschichtungen und Applikationsmethoden die Herausforderungen im Rahmen komplexer Projekte bewältigt und  die Kosten einer Brücke während ihres Lebenszyklus reduziert werden können. 

Dipl.-Ing. Joachim Pflugfelder, Sherwin-Williams Coatings Deutschland GmbH, Protective & Marine

Brücken sind seit Jahrhunderten Teil unserer Infrastruktur und von kultureller Bedeutung. Und auch in Zukunft werden sie für eine mobile Gesellschaft weiterhin wichtig sein. Bei einer durchschnittlichen Lebensdauer von 100 Jahren erfordern Brücken jedoch erhebliche Investitionen – nicht nur in den Bau, sondern auch in die Kosten für die Erhaltung. Letztere übersteigen in der Regel die Kosten für den Bau um das Anderthalbfache.

Zu den Lebenszykluskosten von Brücken gehört auch die Instandhaltung der Beschichtungssysteme, die den Stahl vor äußeren Einflüssen schützen. Aus wirtschaftlichen Gründen ist es ratsam, hierfür technologisch leistungsfähige Systeme einzusetzen, um eine langfristige Funktionalität zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere für Stahlbrücken, da der leichtere Stahl im Vergleich zu Beton zum Bau von schlanken Brücken über größere Entfernungen verwendet werden kann. Allerdings ist Stahl korrosionsanfällig und verliert im Brandfall bei einer kritischen Temperatur von ca. 500 °C seine Tragfähigkeit

Der Korrosionsschutz von Stahlbrücken wird seit Jahrzehnten aus Gründen der Langlebigkeit und der Wirtschaftlichkeit eingesetzt und auf der Grundlage der gewonnenen Erfahrungen kontinuierlich weiterentwickelt. Brandschutzbeschichtungssysteme hingegen sind für Stahlbrücken in der Regel nicht erforderlich. Aufgrund ihrer Konstruktion oder möglicher Brandgefahren in der unmittelbaren Umgebung sollten einige dieser Bauwerke jedoch zusätzlich zum Korrosionsschutz geschützt werden. Beschichtungssysteme, die einen Korrosionsschutz bieten und gleichzeitig den Stahl im Brandfall vor schneller Erhitzung schützen, sind eine wirtschaftliche Lösung. Das spart wertvolle Zeit, bis die kritische Temperatur erreicht ist und die Tragfähigkeit verloren geht. Diese innovativen 2K-Epoxidsysteme sind nach den aktuellen Normen geprüft, seit über zehn Jahren praxiserprobt und auf dem neuesten Stand der Technik. Sie sind damit eine technologisch fortschrittliche und wirtschaftliche Methode, um die Funktionsfähigkeit von Stahlbrücken sicher und langfristig zu erhalten.

Die Anforderungen an den Brand- und Korrosionsschutz von Stahlbauteilen im Brückenbau nehmen zu und werden durch verschiedene Normen und Spezifikationen abgedeckt.

Brandschutz für Stahlbrücken

Brandschutzbeschichtungen für Stahlkonstruktionen sind Systeme, die unter Temperatureinwirkung im Brandfall chemisch reagieren und Stahlbauteile für einen bestimmten Zeitraum vor dem Zusammenbruch schützen können. Ungeschützte Stahlkonstruktionen verformen sich im Brandfall bei Temperaturen von ca. 500 °C, wodurch sie ihre Tragfähigkeit verlieren und einstürzen. Ungeschützte Stahlkomponenten erreichen diese kritische Temperatur je nach Profil und Wandstärke bereits nach etwa fünf bis zehn Minuten. 

Reaktive Brandschutzbeschichtungen sind nach DIN EN 13381-8 geprüft und nach DIN EN 13501-2 in die Feuerwiderstandsklassen R15 bis R180 eingestuft. Nach der Leitlinie für europäische technische Zulassungen für Brandschutzprodukte ETAG 018-2 und dem Exportbegleitdokument (EAD) kann die Verwendung von Brandschutzbeschichtungssystemen durch eine Europäische Technische Bewertung, die sogenannte ETA-Bewertung bestätigt werden. Neben diesem Bewertungsdokument (ETA) regelt in Deutschland die Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) die Anwendbarkeit dieser Bauart im Sinne der Landesbauordnungen.

Derzeit prüfen alle Systemhersteller ihre reaktiven Brandschutzbeschichtungssysteme nach DIN EN 13381-8, sodass deren Anwendung auf einer Europäischen Technischen Bewertung (ETA) und einer Allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (AbG) basiert. Abhängig von der kritischen Stahltemperatur zwischen 350 °C und 750 °C, der Profilform und dem U/A-Wert regelt die ETA u. a. die Schichtdicke, die erforderlich ist, um die vorgesehene Feuerwiderstandsdauer von bis zu 180 Minuten zu erreichen.

Über die geforderte Nutzungsdauer hinaus

Der bisher in einer ETA festgelegte Zeitraum von zehn Jahren für den Brandschutz basiert auf einer angenommenen Lebensdauer für den vorgesehenen Verwendungszweck von zehn Jahren und ist ein von der Kommission festgelegter theoretischer Wert, der nichts mit der tatsächlichen Lebensdauer und Beständigkeit von intumeszierenden Beschichtungen zu tun hat. Dieser Zeitraum ist eher als Revisionszeitraum zu verstehen, nach dem die Brandschutzbeschichtung auf Schäden und Mängel überprüft werden muss. Die in den ETAs beschriebenen Zeiträume ändern sich jedoch. Derzeit gibt es ETAs mit einer Nutzungsdauer von mehr als 25 Jahren, wobei unterschieden werden muss, ob die Zulassung der Beschichtung für den Innen- oder Außenbereich erteilt wurde.

Langfristiger Korrosionsschutz

Für den Korrosionsschutz werden immer längere Schutzzeiten gefordert, z. B. mehr als 25 Jahre für Stahlbauten in der aktuellen Norm DIN EN ISO 12944. Für Stahlbrücken gelten in Deutschland sogar noch höhere Anforderungen, da eine doppelt so lange Nutzungsdauer von 100 Jahren berechnet wird wie für Stahlbauten. Außerdem wird im Winter Streusalz auf Brücken eingesetzt. Daher sieht die neue ZTV-ING Teil 4, Abschnitt 3 ab März 2021 eine rechnerische Schutzdauer für Beschichtungssysteme von 50 Jahren vor. Dies ist möglich, weil die Hersteller von Beschichtungssystemen kontinuierlich an der Weiterentwicklung ihrer Produkte und Systeme arbeiten.

Die Korrosionsschutzbeschichtung einer Stahlbrücke nach DIN EN ISO 12944 muss bei einer rechnerischen Lebensdauer organischer Beschichtungen von 25 Jahren und einer Lebensdauer des Bauwerks von 100 Jahren innerhalb dieses Lebenszyklus dreimal teilweise oder vollständig erneuert werden . Die rechnerische Schutzdauer der Beschichtung nach Blatt 87 der ZTV-ING Teil 4, Abschnitt 3 beträgt 33 Jahre, sodass eine teilweise oder vollständige Erneuerung nur zweimal während der Schutzdauer erfolgen muss.

Moderne Hochleistungs-Beschichtungstechnologien

Seit mehr als 50 Jahren werden Stahlkonstruktionen durch 1K-Intumeszenz-Beschichtungen wirksam geschützt, um ihre Stabilität im Brandfall länger zu erhalten. Die intumeszierenden Beschichtungen reagieren unter Hitzeeinwirkung und bilden eine zentimeterdicke Schaumschicht. Diese Barriere verhindert, dass Wärme auf den Stahl übertragen wird. Die Vorteile von 1-komponentigen intumeszierenden Beschichtungen sind geringe Schichtdicken, einfache Applikation und eine nahezu unbegrenzte Anzahl an Verarbeitungen bei geringen Kosten. Ihr Einsatz auf der Baustelle ist jedoch stark eingeschränkt, da sie in mehreren Schichten aufgetragen werden müssen, was die Durchtrocknungszeit entsprechend verlängert. Darüber hinaus haben 1K-Beschichtungen eine geringe mechanische Festigkeit und ihre Lebensdauer von 25 Jahren ist auf den Einsatz im Innenbereich beschränkt. Ungünstige Umweltbedingungen vor Ort können ihren Einsatz zusätzlich erheblich einschränken. Dies hat zur Folge, dass die Beschichtungsarbeiten nicht mit dem Tempo der anderen Baumaßnahmen mithalten können und somit den gesamten Projektfortschritt verzögern.  

Aus diesem Grund wurde die werksseitige Anwendung von intumeszierenden Beschichtungen in den letzten Jahren weiter verbessert. Inzwischen gibt es aber auch zahlreiche schnell trocknende 1K-Produkte auf dem Markt. Probleme bereiten jedoch nach wie vor die Durchtrocknung und die Gefahr von Beschädigungen beim Transport und bei der Montage auf der Baustelle. Notwendige Nacharbeiten auf der Baustelle sind zeitaufwendig und machen den Vorteil der Zeitersparnis im Werk weitgehend zunichte. 

Schnell trocknende, lösungsmittelfreie 2K-Brandschutzbeschichtungen auf Epoxidharzbasis werden in der Regel direkt im Werk aufgetragen, da sie robuster sind als 1K-Produkte. Sie können aber auch unter kontrollierten Klimabedingungen auf der Baustelle appliziert werden. Derzeit gibt es eine Reihe von 2K-Epoxidbeschichtungen mit unterschiedlichen Eigenschaften. Die Sika® Unitherm® Platinum (zukünftig FIRETEX® Platinum) -Technologie ist im Gegensatz zu anderen 2K-Beschichtungssystemen sehr widerstandsfähig und hält somit auch extremen Witterungsbedingungen und Streusalz stand. Ein weiterer entscheidender Vorteil dieser neuen Generation von Intumeszenz-Beschichtungen ist, dass sie neben dem Brandschutz des Bauwerks auch einen Korrosionsschutz bieten, der nach DIN EN ISO 12944-5 bis C5 sehr hoch ist und die Anforderungen der ZTV-ING Teil 4, Abschnitt 3 erfüllt. 

Die Zukunft der Stahlbrückenbeschichtung

Im Stahlbrückenbau gibt es mehr als 45 Jahre Erfahrung mit reaktiven Systemen auf Epoxid- und Polyurethanharzbasis. Innovative Beschichtungssysteme nach dem neuen Blatt 100 der ZTV-ING Teil 4, Abschnitt 3 ermöglichen eine Schutzdauer gegen Korrosion von mindestens 50 Jahren bei einer Gesamtschichtdicke von 400 µm. In Zukunft wird die Beschichtung einer Stahlbrücke während ihrer Lebensdauer von 100 Jahren nur noch einmal erneuert werden müssen. Die ersten Projekte, die auf diesem Prinzip basieren, sind bereits in Produktion oder in Planung. So wird beispielsweise eine Straßenbahnbrücke über ein Recyclingzentrum mit Reifenlager mit einem System beschichtet, das nicht nur einen extrem hohen Korrosionsschutz, sondern auch einen Brandschutz bis zur Feuerwiderstandsklasse R120 gewährleistet.

Beispiele für dauerhaft geschützte Stahlbrücken

  • Die Stadtbibliothek im hessischen Bad Vilbel ist das erste Brückenbauwerk, das gleichzeitig Fußgängerbrücke und Bibliothek ist. Das moderne Bauwerk ist Teil der großangelegten Neugestaltung des Stadtzentrums und erstreckt sich über die Ufer der Nidda, die in diesem Bereich renaturiert worden ist. Für den Brandschutz des Haupttragwerks, das als Fachwerkkonstruktion ausgeführt wurde, war die Schutzklasse R90 und für den Korrosionsschutz die Kategorie C3 erforderlich. Die werkseitig aufgebrachte Brand- und Korrosionsschutzbeschichtung Sika® Unitherm® Platinum (künftig FIRETEX® Platinum) hielt den extremen mechanischen Belastungen während der Bauphase durch Schwerlastverkehr, wechselnde Witterungsbedingungen, Regen, Schnee, Eis, Tauwasser und Temperaturschwankungen problemlos stand. Die Patina, die sich durch diese natürliche Verwitterung gebildet hatte, konnte mit einem Hochdruckreiniger leicht entfernt werden, ohne die Beschichtung anzugreifen.

  • Die neuen Gebäude der Continental-Konzernzentrale in Hannover sind durch eine Fußgängerbrücke über die Hans-Böckler-Allee verbunden. Die Brücke über diese öffentliche Straße und die Gleise der S-Bahn muss im Falle eines Brandes 90 Minuten standhalten. Aufgrund der besonderen Profile war eine projektbezogene bauaufsichtliche Zulassung durch die oberste Bauaufsichtsbehörde Niedersachsens (ZiE) erforderlich. Dazu wurde ein Gutachten über die Nennschichtdicken der Brandschutzbeschichtung auf der Grundlage vorhandener internationaler Prüfberichte erstellt. Der geforderte Korrosionsschutz entspricht der Kategorie C2 für die Bauphase. Im Betrieb gilt die Verbindungsbrücke als Innenanwendung. Die Sika® Unitherm® Platinum (künftig FIRETEX® Platinum) -Beschichtung wurde im Werk aufgetragen und die 70 m lange und 130 t schwere Stahlkonstruktion anschließend mit vier Kränen in einem Stück eingehoben und montiert.

  • Für die Fußgängerbrücke über den Arnulfpark in München war die Anforderung an den Korrosionsschutz eine Zulassung nach ZTV-ING Teil 4, Abschnitt 3, Blatt 87. Für den Brandschutz musste die Feuerwiderstandsklasse R90 erfüllt werden, da sich unter der Stahlbrücke eine Waschanlage für ICE-Züge befindet. Die Korrosionsschutz- und Brandschutzbeschichtungen wurden im Werk aufgebracht. Da für den Korrosionsschutz das System SikaCor® EG (künftig Macroproxy® EG) und für den Brandschutz Sika® Unitherm® Platinum-120 (künftig FIRETEX® Platinum) eingesetzt wurde, wurde eine Zulassung im Einzelfall gemäß ETA überflüssig. Auf der Baustelle wurden die Stahlkomponenten schließlich verschweißt, beschichtet und in Zyklen in Längsrichtung bewegt. Durch das Bewegen beschädigte Stellen wurden repariert oder mit Sika® Unitherm® Platinum-120 (künftig FIRETEX® Platinum) neu beschichtet. Aus kosmetischen Gründen wurde die gesamte Konstruktion schließlich mit einer kompletten Deckbeschichtung versehen. 

  • Die Bundesautobahn A7 wurde vom Autobahndreieck Hamburg-Nordwest bis zum Autobahndreieck Bordesholm um bis zu sechs bzw. acht Fahrspuren verbreitert. Die alte Stahlbrücke in der Kieler Straße in Stellingen, die als Ein- und Ausfahrt des Stadttunnels, dem sogenannten Hamburger Deckel, dient, konnte unverändert erhalten werden. Die stählerne Brückenuntersicht und der Brückenkasten mussten jedoch vor Ort mit einem Brandschutz der Feuerwiderstandsklasse R60 versehen werden, da ein Lkw- oder Pkw-Brand unter der Brücke sonst zum Einsturz des Bauwerks führen könnte. Ebenso wurden die Stahlstützen und die Stiele der Verkehrszeichenbrücke mit einer intumeszierenden 2K-Epoxid-Beschichtung gegen Feuer und Korrosion geschützt und mit einem blauen kosmetischem Deckanstrich behandelt. Gleichzeitig sollte die Brandschutzbeschichtung das Bauwerk vor Feuchtigkeit und Auftausalzen schützen und die Anforderungen der Kategorie C5 für den Korrosionsschutz erfüllen. Deshalb wurde Sika® Unitherm® Platinum-120 (künftig FIRETEX® Platinum) verwendet.

 


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